Annatina Graf

2010 Verblasste Erinnerungen

Titel
2010 Verblasste Erinnerungen
Datum
20. März 2010
Beschreibung

Verblasste Erinnerungen


Die Künstlerin Annatina Graf zeigt im Kunstraum Sandra Romer Gemälde, die sich dem Thema Erinnerung widmen.

Die Jugend ist eine weisse Leinwand: Kaum ein Lebensabschnitt muss öfter als Projektionsfläche dienen als die Jugendzeit. Niemals wieder sind wir so unbeschwert, so bar aller Sorgen, so ganz bei uns selbst – denken wir. «Warum», fragen wir uns mit George Bernard Shaw, «bekommt der Mensch die Jugend in einem Alter, in dem er nichts davon hat?» Ja, ungerecht ist das: Die Zeit hat noch keinerlei Spu- ren hinterlassen in ihren Gesichtern, ihre Geister sind noch nicht in Fesseln gelegt von den Mühen des Alltags, alles scheint offen, neu, gross.

Ephemere Bildnisse
Doch die Erinnerung ist ein trügeri-sches Ding: Sie vermischt, was ein- mal war mit dem, was einmal sein sollte, mit dem, was hätte sein kön-nen. Und je älter wir werden, desto blasser wird sie, die Erinnerung. Und umso farbiger malen wir sie uns aus.
Schon länger beschäftigt sich die in Chur aufgewachsene Künstlerin Annatina Graf mit dem Themenkreis der Erinnerung. Jüngstes Resultat davon sind die nun im Kunstraum Sandra Romer in Chur zu sehenden Bilder: Die Gesichter junger Mädchen und spielende Kinder. Sie verschwinden und tauchen wieder auf, je nach Perspektive, je nach Distanz, je nach Lichteinfall. Es sind vergrösserte Handy-Aufnahmen, die Graf an eine silbern unterlegte Leinwand projizierte und mit weisser Acryl-Farbe nachmalte.

Dynamische Motive
Wenn Graf malte, so berichtet es Galeristin Romer, hatte sie nie das Ganze im Blick: Wer ganz nahe dran ist, erkennt kaum etwas auf diesen Gemälden. Sie vollzog so auf eine gewisse Weise das nach, womit wir kämpfen, wenn wir erinnern: Je konkreter wir das Vergangene zu fassen versuchen, desto flüchtiger wird es.
«abheben» heisst die Werkserie. Sie zeigt etwa Kinder im Turnunterricht, ganz ins Seilspringen versunken, nicht mehr ganz auf der Erde aber auch noch nicht ganz in der Luft. Oder die jungen Mädchen, die sich und ihre Haare durch das Bild fliegen
lassen: Glücklich sehen sie aus. Sie werfen sich in Pose, lächeln frisch und furchtlos in den Raum hinaus. Es sind dynamische Motive, oft kühn gewählt sind die Bildausschnitte. So voller Kraft sie aber sind, so unaufdringlich und monochrom strahlen sie von den Wänden herunter. Was wohl werden diese Mädchen denken, wenn sie die Bilder hervorkramen und sich selbst betrachten? Fühlen sie Wehmut? Oder erinnern sie sich an das Gefühl des Abgehobenseins, der letzten Momente des Aufgehobenseins der Kindlichkeit? Schon ist die Falle wieder zugeschnappt.

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